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Ballet by John Neumeier

Nachtwanderung

"Why don't you choreograph Mahler's seventh symphony?
The seventh is a ballet!"
Leonard Bernstein to John Neumeier (1975)

Music must always have a quality of yearning,
a longing for things that are not of this world.


Music: Gustav Mahler – 7th Symphony of Gustav Mahler
Choreography, Set and Costumes: John Neumeier


PREMIERE:
Hamburg Ballet, Hamburg, Dezember 4, 2005

ORIGINAL CAST:
Hélène Bouchet
Joëlle Boulogne
Heather Jürgensen
Anna Laudere

Thiago Bordin
Peter Dingle
Carsten Jung
Alexandre Riabko
Lloyd Riggins

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Traumschleier und Nachtgedanken
John Neumeier choreografiert die Siebte Sinfonie von Gustav Mahler

Ein paar kräftige Ruderschläge brachten den heißersehnten Einfall zum Thema des ersten Satzes. Wie so oft hatte Gustav Mahler einen Teil seiner Sinfonie bereits ein Jahr zuvor komponiert: Die beiden Nachtmusiken für die Siebte waren im Sommer 1904 entstanden, in dem er zunächst die VI. Sinfonie abgeschlossen und zwei der "Kindertotenlieder" komponiert hatte. Nach einem langen Jahr als Wiener Hofoperndirektor war Mahler mit der Familie im Sommer 1905 in die Ferien an den Wörthersee gefahren mit dem Plan die Sinfonie zu vollenden. Seine ihn fordernde berufliche Stellung ließ das Komponieren nur in den Sommerferien zu. Als nun der zündende Einfall nicht kommen wollte, begab sich Gustav Mahler in die Dolomiten ins 'Exil'. Doch auch hier ging es mit der Komposition nicht recht voran. Also bestieg er ein Boot zurück zur Ferienvilla und: "Beim ersten Ruderschlag fiel mir das Thema (oder mehr der Rhythmus und die Art) der Einleitung zum 1. Satze ein", erinnerte sich Gustav Mahler 1910 in einem Brief an seine Frau Alma.

Auf die Uraufführung seiner Siebten Sinfonie musste Gustav Mahler einige Jahre warten. Der Versuch sie bei einem Tourneeorchester unterzubringen scheiterte. Schließlich dirigierte Mahler sein Werk selbst am 19. September 1908 in Prag, nachdem er noch während der Proben ständig Änderungen der Orchesterstimmen vornahm.

Für seine Siebte hatte Gustav Mahler kein 'Programm' geschrieben, er soll den Begriff "Nachtwanderung", den die Uraufführung begleitende Verehrer vorschlugen, aber nicht abgelehnt haben.

Auch John Neumeier, der sich nach elf Jahren wieder choreografisch mit einer Mahler-Sinfonie auseinandersetzt, beschäftigt das Thema der Nacht. Wie in allen seinen sinfonischen Balletten geht es John Neumeier nicht darum eine konkrete Geschichte zu erzählen, die sich in einem kontinuierlichen Handlungsstrang verfolgen lässt.

1975 hat John Neumeier sein erstes Ballett zu einer Mahler-Sinfonie geschaffen. Seit der erfolgreichen Premiere wurde "Dritte Sinfonie von Gustav Mahler" immer wieder begeistert im Repertoire begrüßt und auf internationalen Gastspielen gefeiert. Die Vierte Sinfonie choreografierte John Neumeier 1977 für das Royal Ballet London, die Erste 1980 und die Zehnte 1984 für das Ballet du XXe Siècle in Brüssel. Die Sechste Sinfonie kreierte er 1984 für das HAMBURG BALLETT und die Fünfte Sinfonie widmete er seiner Compagnie 1989 zur Einweihung des neubezogenen Ballettzentrums. Im Dezember 1994 hatte "Zwischenräume" zur Neunten Sinfonie Gustav Mahlers Premiere.

Jetzt nennt John Neumeier sein Ballett zur Siebten Sinfonie "Lieder der Nacht". Die klanglichen Welten der fünf Sätze von Gustav Mahlers Sinfonie sind sehr unterschiedlich, doch auch innerhalb eines Satzes können sich die Stimmung und die diese hervorrufenden Assoziationen abrupt verändern. Ebenso wie sich in der Musik die Themen überlagern, zeigt John Neumeier in seiner Choreografie kurzangerissene Situationen, die plötzlich vom nächsten Traumschleier abgelöst werden können. Ein Zustand, den sicherlich jeder kennt, wenn im Dämmer der Nacht Erinnerungen verarbeitet werden und das innere Bewusstsein Momente entstehen lässt, die sich im Traum innerhalb von Sekundenbruchteilen verändern können und sich nach dem Aufwachen nur schwer zuordnen lassen.

Gustav Mahler hatte über die Siebte Sinfonie an Henri Hinrichsen, den Chef des Peters-Musikverlages, geschrieben: "Zur Orientierung will ich noch bemerken, dass das Werk vorwiegend heiteren, humoristischen Inhalts ist". Die im 2. und 4. Satz – die Mahler als "Nachtmusiken" bezeichnet – plötzlich auftauchende Mandoline oder die läutenden Herdenglocken wirken durchaus ironisch oder skurril. Dennoch werden diese Sätze meistens eher im Sinne der romantischen "Nachtstücke" E.T.A. Hoffmanns gedeutet. Die in der Romantik auch verwurzelte Melancholie kommt zum Ausdruck, wenn in Gustav Mahlers erster "Nachtmusik" immer wieder Trauermarschartige Passagen zu hören sind. Gleichzeitig lässt der Satz an einen Nachtspaziergang über eine sommerliche Bergwiese denken.

Dem Scherzo des dritten Satzes stellte Mahler dann sogar ein "schattenhaft" voran. Die Musik könnte man sich fast zur Untermalung eines Krimis vorstellen und auch in der zweiten "Nachtmusik" gibt es dramatische, fast bedrohliche Momente, die Mahler aber mit melodiösen Partien und spielerischen Mandolinen-Klängen bricht. Die vom Komponisten beschriebene Heiterkeit blitzt jedoch in allen fünf Sätzen hervor und John Neumeier greift sie in seinen Kreationsproben zu "Lieder der Nacht" immer wieder auf. Noch ist das Ballett in seiner Entstehungsphase und es bleibt spannend, wohin die choreografische Reise geht.

Der "Nachtwanderung" zur Siebten Sinfonie stellt John Neumeier acht Nocturnes von Frédéric Chopin, dem Meister der musikalischen Nachtstücke, voran.

Telse Hahmann

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